Knitted Anatomy
Projektleitung: Katharina Sabernig
Das Projekt Knitted Anatomy widmet sich der Darstellung des inneren Körpers mit den Mitteln der textilen Kunst. Bei einem unversehrten Menschen kann man nicht sehen, was sich unter der Haut befindet. Ein Blick in das Innere des Körpers ist für medizinisch nicht geschulte Personen, insbesondere auch für Kinder, nicht einfach. Dennoch kann es notwendig werden, zu verstehen, was sich dort verbirgt. Nun hat sich gezeigt, dass gestrickte Objekte als angenehm und vertraut empfunden werden. Wolle weckt das Bedürfnis zum Betrachten und Berühren anatomischer Strukturen, die man sonst nicht gerne sehen oder gar angreifen würde. Statt des natürlichen Ekelempfindens entsteht eine positive Haltung zum Bild des inneren Körpers.
Gestrickte Anatomie kann für verschiedene Zielgruppen bestimmt sein. Bei Kindern kann es darum gehen, spielerisch Neugier für medizinische Sachverhalte zu wecken (plötzlich zeigt sich der Magen so vertraut wie ein Stofftier). Bei labilen Patienten mag es eine Erleichterung bedeuten, wenn die Aufklärung vor einer Operation auf eine schonende Weise erfolgen kann. Allgemein an Kunst und Körper Interessierte können die Schönheit der Strickobjekte auf sich wirken lassen. Personal der medizinischen Profession mögen abseits der Arbeitsroutine über die Kunst Entspannung von ihrer Tätigkeit finden. Es ist ein wichtiger Teil des Vorhabens, die psychologische Wirkung dieser Darstellungsweise anhand von Fragebögen und Interviews zu ermitteln.
Das Projekt erhebt den Anspruch, dass alle Strukturen auf medizinisch korrekte Weise dargestellt werden. Das Innere des Körpers wird genauso wissenschaftlich zutreffend dargeboten, wie dies bei Wachsmodellen der Fall wäre. Als visuelles Medium können Fotografien gestrickter Anatomie als Lehrbilder in Informationsbroschüren, Animationsvideos oder in einem Anatomieatlas verwendet werden. So genannte „Anatomische Theater“ waren in früheren Zeiten für den Unterricht an Universitäten üblich. Eine Darbietung gestrickter Objekte versteht sich auch als Fortführung dieser „Schaubühnen“, nur ohne originäres menschliches Körpermaterial und daher ethisch unbedenklich.
Dem Projekt steht ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite, der Expert*innen aus Kunst, Medizin und den Sozialwissenschaften vereint. Leiterin des Projekts ist Katharina Sabernig, die die textilen Objekte herstellt und für die inhaltliche Projektentwicklung sowie die Koordination verantwortlich ist. Die erfahrene Filmemacherin Tatia Skhirtladze wird als künstlerische Mitarbeiterin Videos zum Thema produzieren. Barbara Graf, eine versierte Spezialistin für Textilien und künstlerisches Design, wird ihr Augenmerk auf die Materialien und ihre nachhaltige Verwendung richten. Stephan Fischer wird Studierenden der Angewandten bei der Erstellung von 3D-Scans und Animationen betreuen. Die Entwicklung einer „Choreographie des Anatomieunterrichts“ für Kinder wird von der Regisseurin und Theaterpädagogin Nora Dirisamer unterstützt.
Katharina Sabernig studierte Medizin und Kulturanthropologie in Wien. In ihren früheren Projekten beschäftigte sie sich mit anatomischen Illustrationen, visualisierter Medizin und tibetischer medizinischer Terminologie worüber sie zahlreich publizierte. Inspiriert von der Vielfalt anatomischer Darstellungen und den damit verbundenen ethischen Fragen, begann sie 2015 mit dem Stricken anatomischer Objekte, um Antworten auf verschiedene Fragen zu Ethik, Materialität und Wahrnehmung anatomischer Darstellungen zu finden. In ihrem aktuellen Projekt werden die dreidimensionalen Textilkreationen nicht nur ausgestellt, sondern auch durch Fotografie, Videoanimation und performatives anatomisches Theater präsentiert.