A WORLD OF BLUE — DIALOGUES IN INDIGO

Arts-based research on the potentials of natural indigo dyeing
Projektleitung: Karin Altmann
Projektpartner*innen: Aboubakar Fofana und Tristan Toé

Persicaria tinctoria © Karin Altmann

Indigo ist der einzige Naturfarbstoff, der auf textilen Materialien ein beständiges Blau erzielen kann. Mit seiner Herstellung verbunden ist ein zeitaufwendiger und arbeitsintensiver, aber auch faszinierender Prozess, der im Laufe der Zeit weltweit Künstler*innen inspirierte. Die Indigogewinnung und Indigo-Küpenfärberei, die bereits vor über 6000 Jahren Verwendung fanden, zählen zu den frühesten kulturellen, biotechnologischen Verfahren. Synthetisches Indigo erfüllt in Verbindung mit Reduktionsmitteln wie Natriumdithionit seit seiner vollsynthetischen Herstellung durch A. Baeyer im Jahr 1897 zunehmend die Anforderungen einer immer schneller werdenden kommerziellen Produktion; ungeachtet der damit verbundenen ökologischen und ökonomischen Probleme.

Angesichts des vielfältigen Einsatzes von Indigo und des wachsenden Bewusstseins für ökologische Verantwortung – einschließlich der Bedürfnisse, sowohl die Gesundheit von Mensch und Umwelt als auch die Rückverfolgbarkeit von Produktionsprozessen sicherzustellen –, untersuchte das Projekt, wie das Färben mit Naturindigo sowie Praxen, die bereits verloren gegangen oder im sukzessiven Schwinden begriffen sind, nachhaltig und gesellschaftsrelevant in die Zukunft transferiert werden können. Ziel des Forschungsprojektes war es neue Wege für das Färben mit Naturindigo, dessen Anbau und gemeinschaftliche Agrarpraktiken für das 21. Jahrhundert aufzuzeigen, wobei die gewonnenen Erkenntnisse nicht nur innerhalb der mitteleuropäischen Indigo-Community geteilt wurden, sondern auch in das von Aboubakar Fofana initiierte IBIKASO Indigo- und Landwirtschaftsprojekt in Mali einflossen.

Der eigene Indigoanbau in Kooperation mit dem in Mali aufgewachsenen Biobauern Tristan Toé, der seit 2011 im Waldviertel biologischen und vorwiegend händischen Gemüseanbau betreibt, stellte eine Alternative zu konventionellen Anbausystemen dar und bot nicht nur die Gelegenheit, Indigo in einem gesunden, intakten und von einer biologischen Vielfalt geprägten Umfeld anzubauen, sondern auch das Potential von biologisch gewachsenem Indigo zu erforschen und gemeinsam mit dem Wissen über die Möglichkeiten der Sanierung und Bewahrung von Ökosystemen und dem Erhalt der Artenvielfalt nach Mali und weitere Länder des globalen Südens zurückzutragen. Die kollaborative Praxis mit Aboubakar Fofana, einem multidisziplinär tätigen Künstler aus Mali, der für seine jahrelangen Bemühungen, westafrikanische Textil- und Indigofärbetechniken zu bewahren und zu revitalisieren bekannt ist, ermöglichte Indigo in seinem historischen, philosophischen, sozialen und politischen Kontext zu ergründen, Möglichkeitsräume der Wissensproduktion und des Aufbrechens festgeschriebener Wissensstrukturen zu erschließen und das Bewusstsein für folgende Fragestellungen zu schaffen: Wie können textile Prozesse und künstlerische Dialoge genutzt werden, um einen Raum für kulturelle, soziale und ökologische Verantwortung zu schaffen? Was leistet künstlerische Forschung in der Gesellschaft? Und welche Ansätze für gesellschaftlichen Wandel sind möglich? Kann uns die Vergangenheit einen nützlichen Wegweiser für die Zukunft geben? Welche Auswirkungen haben globale Herausforderungen wie Klimawandel, Erschöpfung natürlicher Ressourcen, Misswirtschaft, Armut, demografischer Wandel und Migration auf die eigene künstlerische Forschung? Was bedeutet es heute als Künstler*in postkolonial zu agieren und dem mächtigen Paradigma des Eurozentrismus entgegenzutreten?

Mit den Mitteln der künstlerischen Forschung wurde eine transversale Wissensassemblage erstellt, die über die gesellschaftliche und ökologische Relevanz und Wirkung nachhaltiger Praxis sowie die Bedeutung eines achtsamen Respekts vor dem lebendigen Material, unserer Umwelt und der Gesellschaft nachdenkt. Einerseits ging es darum die Beziehung zur Erde und den Zyklen der Natur (wieder) aufzubauen und eine von Respekt und Wertschätzung getragene Nutzung der Erde der gängigen maximalen Ressourcenausbeutung entgegenzusetzen – was wir als wesentliche Voraussetzung für ökologischen und ökonomischen Wandel erachten. Andererseits ging es auch darum soziale Dimensionen zu berücksichtigen und Denk- und Handelsräume zu öffnen, die von Neugier, Interesse und Solidarität getragene Begegnungen und Kollaborationen mit Menschen ermöglichen.

www.indigo.uni-ak.ac.at

Gefördert durch INTRA — Angewandte Programme for Inter- and Transdisciplinary Projects in Art and Research, 2021 – 2022

RESEARCH WEEK 2021 / Zentrum Fokus Forschung © Karin Altmann
Anbau von Persicaria tinctoria (Färberknöterich) im Waldviertel © Julia Wesely

Indigoernte (Persicaria tinctoria) © Julia Wesely

Indigopigment Extraktion © Karin Altmann

Indigoküpe © Julia Wesely

Get-together der österreichischen Indigo Community mit dem Projektteam (Aboubakar Fofana, Karin Altmann und Tristan Toé) © Julia Wesely
Karin Altmann, The Origin of Blue, Angewandte Festival 2021 - Indigopflanzen (Indigofera arrecta, Indigofera suffructicosa, Isatis tinctoria und Persicaria tinctoria), Erde, Holzhäcksel © Karin Altmann
Karin Altmann, Fiata Studies II, Angewandte Festival 2022 - Indigogefärbte Arbeitsschürzen der Österreichischen Indigo Community

(mit Beiträgen von K. Altmann, A. Bauer, C. Dörfler, J. Koó, M. Schwack-Koó, M. Steiner, M. Wagner, K. Wagner und J. Wegscheider) © Karin Altmann
Karin Altmann, The Origin of Blue II, Angewandte Festival 2022 - 1000 Indigokugeln, händisch geformt © Karin Altmann

The Living Soil Journey - Acupuncture for Fertile Soils, Siby/Mali 2021 © Karin Altmann

The Living Soil Journey - Acupuncture for Fertile Soils, Siby/Mali 2021 © Karin Altmann

The Living Soil Journey - Acupuncture for Fertile Soils, Siby/Mali 2021 © Karin Altmann

The Living Soil Journey - Acupuncture for Fertile Soils, Siby/Mali 2021 © Karin Altmann

The Living Soil Journey, Mali 2022 © Karin Altmann